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Wenn ich für einen Tag die Schulleitung am Ratsgymnasium übernehmen könnte, was würde ich dann verändern? Eine Frage, die sich mancher möglicherweise schon einmal selbst gestellt hat. Dass allerdings dieses Gedankenexperiment spontan und vor Publikum beantwortet werden soll, würden sicherlich die Wenigsten erwarten. Das neu ins Leben gerufene Konzertformat „Very Personal“ steckt aber nicht nur im Bereich der Moderation voller Überraschungen. In unregelmäßigen Abständen können musikalische Talente der Schule hierbei zukünftig solistisch oder in Ensembles ihr Können präsentieren. Der englische Titel des Formats wird dabei in allen erdenklichen Bereichen wörtlich verstanden. In liebevoller Kleinstarbeit wurde das Projekt durch die Fachschaft Musik und in enger Zusammenarbeit mit der Schulleitung vorbereitet. Dazu gehört dann auch das gemütliche Bühnenarrangement in der schuleigenen Aula mit Sofa, Teppich, und kleinem Tisch sowie einem auf den letzten Drücker herbeigeschafften Großvater-Sessel aus Privatbestand. Auch das Problem, dass die speziell für den Anlass erworbene Leselampe kurz vor der Premiere versehentlich auf dem Sperrmüll landete, konnte noch rechtzeitig gelöst werden, sodass kurz vor Weihnachten die ersten beiden Veranstaltungen der Reihe anliefen. 
 
Bei „Very Personal“ spielen nicht einfach Schüler*innen auf ihren Instrumenten ihre jeweiligen Lieblingsstücke. Immer im Wechsel mit musikalischen Beiträgen werden zusätzlich spontane Interviews geführt. Außerdem ermöglicht das Format in kurzer Zeit eine kaum vorstellbare stilistische Vielfalt, die sicherlich selten in dieser Weise zu hören ist. So verblüfft der erst 11-jährige Artur Bonert (6c) das Publikum zunächst mit seinem Können auf der Orgel, bevor er von Herrn Hummel befragt berichtet, wie er bereits als Grundschüler die Liebe zu diesem ungewöhnlichen Instrument entdeckte, nur damit wenige Augenblicke später Sophie Darui (9c) nach einem rasanten Ritt auf der E-Gitarre und dem E-Bass erklären kann, warum Eltern, Geschwisterkinder und Nachbarn eben auch das Üben auf elektronisch verstärkten Instrumenten verkraften können. Dass Musik nicht nur aus Komposition und instrumentaler oder gesanglicher Umsetzung besteht, beweisen Zeynep Güven, Marie Huxohl, Ida Schlösser und Leyla Amelie Catak (6b), die eine im Musikunterricht entwickelte Choreographie tanzen und anschließend charmant und locker deren Entstehung nacherzählen.   
 
Neben der Vielfalt der Genres deckt auch das Altersspektrum der Beteiligten eine große Bandbreit ab. Aus der Oberstufe begeistern die Geschwister Georg (Klavier, Q1) und Ida (Klarinette, EF) Kaßmann, die jeweils am Ende der ersten beiden Veranstaltungen spielen und dabei routiniert und ehrlich die Fragen beantworten und bemerkenswert unaufgeregt agieren. Ida präsentiert bei der Gelegenheit gemeinsam mit ihrem Pianisten Malte Wagener (als Gast) direkt einmal Ausschnitte aus ihrem Programm für den anstehenden Wettbewerb „Jugend Musiziert“. Auch Tristan Thulke (Q1) vermag am Schlagzeug mit einem selbst zusammengestellten Mashup das Publikum und die Aula in Schwingung zu versetzen.  
 
Doch nicht nur Schüler*innen bekommen durch „Very Personal“ eine Bühne abseits der Ensemblearbeit der Schule geboten. Jahrelang hatte Christian Jansen (Mathematik, Informatik) als Kind Klavierunterricht, so richtig Spaß am Musizieren entwickelte er nach eigenen Worten allerdings erst, als er anfing, sich selbst mithilfe von Akkordsymbolen das Spielen von Popsongs beizubringen. Zwar liegt sein Fokus beruflich bedingt inzwischen eher auf Funktions- denn auf Notenwerten, doch die Anfrage bei „Very Personal“ mitzumachen weckte in ihm neuerlichen Ehrgeiz und so konnte das Publikum zum Beispiel dem von ihm gefühlvoll gesungenen und am Klavier begleiteten Elton John-Klassiker „Your Song“ lauschen. Auch gemeinsam können Schüler*innen und Lehrer*innen bei „Very Personal“ auftreten. Anna Hoene (Q2) und Jakob Warlich (Musik, Geschichte) musizieren als Cello-Duo und spielen dabei unter anderem ein eigens für die Veranstaltung erstelltes Weihnachts-Arrangement. Probleme beim Proben habe es in dieser Konstellation nicht gegeben, denn schließlich funktioniere gemeinsames Musizieren ohnehin immer nur auf Augenhöhe, so Hoene.  
 
Weitere Veranstaltungen sollen im neuen Jahr 2022 folgen und das Publikum darf bereits gespannt sein, welche versteckten Talente unsere Schule noch alles zu bieten hat. Das Format hat sich jedenfalls innerhalb kürzester Zeit zu einem wahren Highlight entwickelt, das die musikalische Arbeit der Schule hervorragend ergänzt und eine bisher nicht erkannte Lücke im Schulalltag füllt.  
 
Bleibt noch die eingangs erwähnte Frage zu klären, was die Interviewten nun an des Schulleiters Stelle im Ratsgymnasium verändern würden. Wer jedenfalls nicht ganz ernst gemeinte Wünsche wie das Einbauen eines Treppenliftes zur besseren Erreichbarkeit des Kunstraumes oder die Einführung eines Informatik-Leistungskurses aus erster Hand hören und gleichzeitig tolle und vielseitige Musik erleben möchte, sollte vielleicht einfach zum nächsten Mal „Very Personal“ kommen. 
J. Warlich, Januar 2022